Grenzenlos wandern im Dreiländereck
2016-04-08
Keine Woche war es her, dass ich mit Christa den Fernwanderweg "Wupperweg" beendet hatte und schon waren wir wieder gemeinsam unterwegs. Diesmal bin ich aber mit dem Zug zu ihr nach Ostbelgien gefahren. Während wir bei der Wanderung an der Wupper viel über die Industriegeschichte der Region erfahren hatten, sollte es bei der heutigen Tour neben Landschaft und Natur um die Landesgeschichte gehen im Dreiländereck von Ostbelgien, Deutschland und Holland.
Auf verschiedenen GrenzRouten kann man eine zentrale Achse oder thematische Rundwege erwandern und erhält unterwegs viele Informationen. Da wir an diesem Tag zwar von Christas Ehemann gebracht, aber am Ende der Wanderung nicht abgeholt werden konnten, hatte Christa eine ganz besondere Wanderstrecke ausgearbeitet: ausgehend vom Wanderparkplatz Waldschenke in Aachen würden wir uns an verschiedenen Routen bis heim zu ihrem Wohnort Raeren in Ostbelgien entlanghangeln. Da wahrscheinlich niemand unseren individuellen Track gebrauchen kann, hier der Link zu den gpx-Dateien der einzelnen Routen.
Wir begannen mit der Route 4 "Landgräben" und los ging es in den Aachener Stadtwald.
Blick auf Aachen
Bald schon konnten wir erkennen, was es mit dem Landgraben auf sich hat. Er bildete nämlich die Außengrenze des ehemaligen Aachener Reiches (12. bis 14. Jahrhundert) und ist noch sehr gut entlang der heutigen Grenze zu Belgien zu erkennen. Wir sollten heute noch auf viele Hohlwege treffen, die durch Fuhrwerke und Viehtrieb entstanden sind und quasi die Fernstraßen des Mittelalters waren. Die Stadtfarben von Aachen waren hier allgegenwärtig.
So sehen hier übrigens die Wegweiser aus. Verlaufen eigentlich ausgeschlossen. Was mich aber auf unserer Tour am meisten beeindruckte, waren die bizarr geformten Hainbuchen, auf die wir immer wieder trafen.
Der Aachener Stadtwald war zusätzlich durch einen Landgraben geschützt. Er bestand aus einem Wall mit beidseitigem Graben. Die Wallkrone war mit Hainbuchen bepflanzt. Die wurden regelmäßig gestutzt, trieben an den Seiten aus und bildeten dadurch ein undurchdringliches Dickicht. Auch nach dem Ende des Aachener Reiches wurden die Hecken noch durch die Förster erhalten. Erst seit ca. 100 Jahren sind die Buchen in alle Richtungen ausgeschlagen und haben die skurrilsten Formen angenommen.
Vom Landgraben hatten wir immer wieder schöne Ausblicke.
Türmchen Beeck ist einer von ehemals acht Wachtürmen des Aachener Reiches. Die Wachtürme dienten der Verteidigung und konnten Nachrichten durch Rauchsignale an den "Langen Turm" in der Innenstadt senden.
Jetzt war es nicht mehr weit zum Dreiländerpunkt. Vorher trafen wir im Wald aber noch auf den "Bikepark Dreiländereck". Einen so aufwendig angelegten Mountainbikeparcours mit Startturm hatte ich bisher auch noch nicht im Wald angetroffen.
10 Minuten später standen wir vor dem Balduin-Turm. Für den 34 Meter hohen Aussichtsturm hatte die Saison noch nicht begonnen und so konnten wir die Aussicht auf die drei Länder leider nicht genießen.
Der Turm steht auf belgischem Boden und zwar 6 m neben der deutschen und 20 m neben der niederländischen Grenze.
Natürlich brauchten wir ein Erinnerungsfoto vom Dreiländerpunkt. Wir stehen hier übrigens auf Hollands mit 322 m höchstem Berg.
Für uns ging es jetzt weiter durch den Königswald entlang der Grenze zwischen Deutschland und Belgien. Bei manchen Pfaden konnte man sich gut vorstellen, dass sie früher von Schmugglern genutzt worden sind.
Und wieder faszinierte uns der Landgraben, jetzt war es der äußere Landgraben, dessen Wall noch gut erhalten ist. Hier tragen die Grenzsteine teilweise den Aachener Adler.
Als wir den Fernsehturm erreichten, verließen wir die GrenzRoute 4, der wir bisher gefolgt waren. Wir wechselten jetzt auf die Route 1, die uns über den "Entenpfuhl" zur Rundroute Köpfchen bringen sollte.
Vom Waldgasthof Gut Entenpfuhl sah der Fernsehturm schon recht klein aus.
Den Turm sollten wir auf unserem weiteren Weg durch den Wald noch öfters sehen. Uns imponierte ganz schön, welche Strecke wir in etwas über einer Stunde zurückgelegt hatten.
Im Wald trafen wir auch auf einige Narzissenfelder.
Relikte aus dem Mittelalter und der jüngeren dunklen Vergangenheit liegen hier ganz dicht beieinander. Während wir gerade noch Adlergrenzsteine und Grenzbuchen bewundern, stehen wir 10 Minuten später vor dem Westwall mit seinen Betonhöckern, die Hitler zur Panzerabwehr errichten ließ.
Die Grenzroute 1 brachte uns zur Rundroute Köpfchen. Köpfchen ist ein ehemals bedeutender Grenzübergang zwischen Belgien und Deutschland. Heute ist er Kulturzentrum statt Kontrollpunkt. Der deutsch-belgische Kulturverein „Kunst und Kultur im Köpfchen", kurz „KuKuK, ermöglicht den Besuchern, sich mit dem Thema "Grenze" auseinander zu setzen.
Hier hätten wir jetzt bequem einen Bus nach Raeren besteigen können. Wir fühlten uns aber noch fit und beschlossen, weiter zu laufen. Außerdem wollten wir unbedingt noch die Zyklopensteine besichtigen, die auf dieser Rundroute hinter dem Grenzübergang liegen. Diese großen Sandsteinblöcke sind zu Stein gewordene Ablagerungen aus dem Kreidemeer, das sich vor Millionen von Jahren hier befunden hat. Auch die Gegend drum herum war das Weiterwandern wert.
Die Quelle des Flusses "Göhl" zu finden stand für heute auch noch auf unserem Wunschzettel. Sie liegt nicht direkt auf dem Wanderweg, aber mit Hilfe des Navis fanden wir sie über schmale Pfade doch noch. Der morgige Wandertag sollte hauptsächlich an der Göhl entlang gehen.
Bald darauf verließen wir den Wald, um auf direktem Weg auf Raeren zuzulaufen. Jetzt wurde es dann doch beschwerlich, denn ab hier war Asphalttreten angesagt. Zum Glück hatten wir aber rechts und links der Straßen immer wieder tolle Ausblicke über die Wiesenlandschaft.
Nach 26 km kamen wir in Raeren an. Wir hatten viele Kilometer an diesem Tag zurückgelegt und waren auch rechtschaffen müde. Aber was hatten wir nicht alles an diesem einzigen Wandertag gesehen, erlebt und an Eindrücken gewonnen. Es war toll. Ach Christa, lass uns doch noch mal grenzenlos wandern.