Es war endlich soweit. Der Gegenbesuch bei meiner durch diese Homepage wiedergefundenen Exbrieffreundin Christa stand bevor. Wie praktisch, dass Christa "zufällig" auch gerne wandert und in einer traumhaft schönen Wandergegend wohnt. Eifel, Ardennen oder Hohes Venn versprechen tolle Touren.
Nur kurz zur Info: Als Ostbelgien werden jene Gebiete im Osten Belgiens bezeichnet, die 1920 vom Deutschen Reich durch den Versailler Vertrag abgetrennt wurden und deren großteils deutschsprachige Bevölkerung damit zu belgischen Staatsbürgern wurde. Der 20 bis 50 km breite Grenzstreifen mit einer Fläche von 1036 km² wurde in den belgischen Staatsverband eingegliedert und umfasst das Gebiet um Eupen, Malmedy, Sankt Vieth und Kelmis und wird nach den beiden ehemaligen preußischen Landkreisen auch Eupen-Malmedy genannt. Soweit lt. Wikipedia der geschichtlich-politische Hintergrund.
2013-12-12
Morgens um 8.55 Uhr nahm ich den Zug nach Aachen. Meinen ständigen Wanderbegleiter Jordy habe ich diesmal Zuhause gelassen. Im Hohen Venn sind Hunde grundsätzlich verboten, auch angeleint. Außerhalb herrscht in Belgien strenge Leinenpflicht, und das wollte ich ihm und mir nicht antun. Außerdem freute ich mich auf eine reine Mädelstour.
In Aachen wurde ich von Christa und ihrem Mann Roger vom Zug abgeholt. Ihr Wohnort Raeren liegt kurz hinter der Grenze. Nach einem kurzen Zwischenstop dort brachte Roger uns zum Ausgangspunkt unserer ersten Tour. Da das Wetter an diesem Donnerstag ausgesprochen gut war, wollten wir uns ins Hohe Venn wagen. Bei strahlendem Sonnenschein starteten wir um kurz nach 11 Uhr von der Monschauer Straße (N67 Eupen-Monschau) kurz vor Monschau ins
Roger schoß noch ein paar Abschiedsfotos von uns, es könnten ja schließlich auch die letzten sein, und ab ging es über die Stege hinein ins Moor.
Mit seinen 4500 ha ist das Hohe Venn das größte Naturschutzgebiet Belgiens und gilt als das größte Hochmoor Europas. Und hier lag es vor uns.
Ich konnte mich nicht sattsehen. Die Wasseroberflächen hatten eine ganz dünne Eisfläche. Alles funkelte in der Sonne. Von Christa erfuhr ich, dass die wassergefüllten Bodenvertiefungen Palsen heißen. Die Holzstege führten uns sicher durch das Moor.
Wenn an diesen Fahnenstangen eine rote Fahne gehißt wird, ist der Zugang aus Naturschutzgründen verboten, was zu dieser Jahreszeit aber wahrscheinlich eher selten ist.
Zwischen Venn und Waldrand ging es jetzt wieder im Bogen zurück zur Monschauer Straße. Wir überquerten die Straße und wieder ging es über Stege ins Venn.
Zwischendurch gab es immer wieder Informationstafeln und auch einen Abzweig zu "Kaiser Karls Bettstatt". Was das wohl sein mochte? Wir nahmen diesen Abzweig (leider) nicht und gingen weiter Richtung "Entenpfuhl".
Nachdem wir diesen idyllisch am Vennrand liegenden kleinen See passiert hatten, verließen wir wieder unseren Bohlenweg. Hier trafen wir auf zwei fröhliche Wanderer, deren Plaudern und Lachen wir schon von weitem gehört hatten. Sofort entstand eine nette Unterhaltung. Als die Herren hörten, dass wir beide noch nie bei "Kaiser Karls Bettstatt" waren, wollten sie es nicht glauben. Sie legten uns diese angeblich so nahe liegende Besonderheit so ans Herz, dass wir uns tatsächlich überreden ließen. Es war schließlich erst 13 Uhr und wir glaubten, uns diesen Schlenker leisten zu können.
Zwischen Venn und Waldrand gingen wir jetzt recht flotten Schrittes in der entgegengesetzten Richtung weiter. Es kam uns doch weiter vor, als versprochen. Doch dann waren wir endlich da.
Auf diesem auf deutschem Boden stehenden Stein soll der Legende nach Kaiser Karl der Große unfreiwillig eine Nacht verbracht haben, als er sich auf einer Jagd verirrte. Nähere Informationen findet man hier.
Der Ort lag so herrlich in der Sonne, dass wir hier unsere Mittagsrast abgehalten haben.
Dann ging es aber mit Volldampf zurück und auf der vorgesehenen Route weiter. Zwischen Venn und Wald gingen wir parallel zum Getzbach weiter, bis wir ihn an einer kleinen Brücke überquerten.
Wir kamen auf der anderen Seite bald an eine große Wegkreuzung. An dieser Stelle waren die Wegmarkierungen für uns nicht eindeutig und wir waren nicht mehr sicher, wo es weiterging. Zum Glück trafen wir auf drei Wanderer, die wir nach dem richtigen Weg zum Haus Ternell, unserem Ziel für diesen Tag, fragen konnten. Die behaupteten etwas unwirsch, dass sie auch dorthin wollten, gaben aber Gas, als hätten sie Angst, wir könnten uns anschließen. Na, dann hatten wir wenigstens die Richtung. Wir wurden jetzt doch etwas unruhig, da es schon 15.30 Uhr war. Spätestens in einer Stunde sollten wir am Ziel sein, wenn wir nicht in die Dunkelheit kommen wollten. In gebührender Entfernung hefteten wir uns an die Fersen unserer "Pfadfinder". Durch unwegsames Gelände bahnten wir uns den Weg hinunter ins Tal des Getzbachs. Es wurde jetzt schon langsam dämmrig. Inzwischen hatte ich keine Lust mehr zu fotografieren, und das will bei mir schon was heißen. Von weitem konnte ich noch einen Blick auf die drei Männer werfen, die auf der anderen Seite des Getzbachs wieder steil bergauf gingen. Ich hatte meinen Garmin dabei, aber nicht diesen Track geladen. Glücklicherweise fand ich das Haus Ternell aber im Display und jetzt war ich doch sicher, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Um 16.30 Uhr kamen wir nach 17 km am Naturzentrum Haus Ternell an, wo wir von Roger wieder eingesammelt wurden. Ein wunderschöner erster Wandertag war zu Ende. Für den nächsten nahmen wir uns fest vor, früher zu starten und das Navi zu füttern.
2013-12-13
Auch dieser Tag versprach wieder wundervolles Wetter und fing schon mit strahlendem Sonnenschein an. Wir wollten uns daher nochmals ins Venn wagen. Diesmal hatten wir uns aber einen vielversprechenden Track eines Eupener Wanderers auf mein Garmin geladen. Wieder brachte uns Roger zum Startpunkt. Die Malmedyer Straße (N68 Eupen-Malmedy) durchquert ein anderes Venngebiet im französischsprachigen Teil von Belgien. Auf der Fahrt über die Nationalstraße stellten wir fest, dass die Täler im Nebel lagen. Das sah so toll aus, dass als erstes wieder Fotos geschossen werden mussten. Hier meine beiden Gastgeber vor dem im Nebel liegenden Tal.
Auf dem Parkplatz des Naturparkzentrums Botrange starteten Christa und ich unsere zweite Tour. Am Ende der Rundwanderung wollten wir den Indoor-Weihnachtsmarkt im Gebäude des Naturparkzentrums besuchen.
Wir überquerten als erstes die Straße N676 und gelangten über einen Waldweg auf die Vennschneise, die uns ins "Wallonische Venn" führte. Dort irgendwo entspringt die Rur.
Der Nebel war an den Bäumen und Gräsern gefroren. Es sah einfach nur toll aus.
Die Sonne meinte es wirklich gut mit uns, aber es war eisig kalt und Christas heißer Tee war eine gute Idee.
Die Venngebiete sind in Zonen von A bis D eingeteilt. Zone A ist für Besucher frei zugänglich, in der Zone B darf man sich auf markierten Wegen bewegen, Zone C darf man nur mit speziellen Führern aufsuchen, die Zone D ist für Besucher total gesperrt. Da wir uns hier in der Zone C befanden, mussten wir das Venn umrunden.
Leider war der Boden stellenweise aufgetaut und nasse Füße drohten. Wir gelangten in das Tal der Hill, die wir auf einer kleinen Holzbrücke überquerten. Von hier aus ging es jetzt auf Stegen weiter durchs Venn, also Zone B.
Die traumhaft schöne Landschaft wurde überschattet von einer Brandkatastrophe, die hier Ostern 2011 1000 Hektar des Naturschutzgebietes zerstört hat. Inzwischen hat sich die Natur schon einigermaßen erholt, aber die verkohlten Baumstämme werden noch einige Zeit daran erinnern.
Auch die Stege waren angekohlt, sind aber inzwischen ersetzt worden.
Jetzt war es nicht mehr weit bis Baraque Michel und zur Kapelle Fischbach.
Hier ist mit 674 m der zweithöchste Punkt im Venn. Von hier aus sollen früher viele verirrte Menschen mit Hilfe einer Glocke und Leuchtfeuern gerettet worden sein. Jenseits der Straße geht es wieder über Stege durchs Venn, das hier aber wieder ganz anders aussieht.
Dieser Grenzstein erinnert an die frühere Grenze zu Preußen.
"Kreuz der Verlobten"
Das Hohe Venn hat in früheren Zeiten viele Opfer gefordert. Zahlreiche Kreuze erinnern an die Tragödien. Eins der bekanntesten ist das "Kreuz der Verlobten". Am 21.01.1871 machten sich zwei junge Leute trotz Warnungen auf den 20 km langen Weg durch das tief verschneite Venn, um sich die Heiratspapiere zu besorgen. Sie scheiterten an der Kälte, frühen Dunkelheit und falscher Kleidung. Die junge Frau starb neben dem Grenzstein an Erschöpfung, ihr Verlobter schaffte es auch nicht viel weiter.
Bald wurde unser Weg zu einer breiten Schneise. Hier sind überall Loipen ausgewiesen. Bei Schnee tummeln sich hier die Langläufer von nah und fern. Heute war es hier recht einsam. Jetzt zog allmählich Nebel auf und wir erhöhten unsere Geschwindigkeit. Wir hatten schließlich noch das Kreuz der Verlobten im Kopf.
Wohlbehalten landeten wir aber bald am Ziel, dem Naturparkzentrum Botrange. Hier wartete Roger schon auf uns. Gemeinsam besuchten wir den Weihnachtsmarkt im Inneren. Mehr als 40 Künstler und Kunsthandwerker aus Belgien und Südfrankreich stellten ihre mehr oder weniger weihnachtlichen Produkte aus.
Wer Interesse an der 16,8 km langen Rundwanderung hat, findet hier den Track.
Auf der Rückfahrt verabschiedete sich das Venn mit einem besonders schöner Sonnenuntergang von uns.
Nach dem Abendessen machten wir uns nochmal auf den Weg. Roger hatte heute schließlich noch nicht viel erlebt und wollte mit uns unbedingt den Monschauer Weihnachtsmarkt besuchen. Wir mussten nicht lange überredet werden und haben es nicht bereut. Der gesamte Altstadtkern war ein einziger Weihnachtsmarkt.
2013-12-14 Petergensfeld - Unberührtes Land
Heute war es vorbei mit dem schönen Wetter. Nach zwei Tagen Sonnenschein im Venn haben wir uns für diesen Tag einen Weg ausgesucht, der an Bächen entlang führt. Roger brachte uns nach Petergensfeld, am Waldeingang auf der Wesertalstraße.
Die Schilder rechts und links waren nicht besonders einladend. Jetzt während der Jagdsaison ist der Aufenthalt von 16 Uhr bis 10 Uhr in vielen Waldabschnitten verboten und freilaufende Hunde sowieso. Es war 9:50 Uhr. Ordnungswidrigkeiten können in Belgien teuer werden. Also warteten wir sicherheitshalber noch 10 Minuten. Nach kurzer Wegstrecke bogen wir vom breiten Waldweg ab. Unsere Wegmarkierung war das grün/weiße Rechteck. Es ging zuerst an der hier noch schmalen Weser (der belgischen!) entlang. Das fing ja richtig abenteuerlich an. Der nächste Bach, auf den wir trafen, war schon wesentlich breiter. Auch die Pfade waren jetzt nicht mehr so glitschig, das sollte sich aber bald ändern.
Unser Weg führte immer ganz dicht am Wasser entlang. Bald kamen wir zum Zusammenfluß von Esch- und Steinbach. Wir nahmen den Weg am Eschbach entlang, während der Rückweg über den Steinbach führen sollte.
Es war eine urige Gegend. Der Weg machte seinem Namen "unberührtes Land" alle Ehre. Wir trafen bis 14 Uhr nicht einen Menschen. Dafür kreuzte ein Rudel Rotwild unseren Weg. Immer wieder mussten wir die Bachseite wechseln.
Brücken oder Stege gab es nicht, höchstens den einen oder anderen Trittstein. Wasserdichte Wanderschuhe sind mehr als empfehlenswert. Unsere Mittagspause nahmen wir im Stehen ein,
zum Sitzen war es zu feucht. Wir kamen nur langsam voran, aber der "Weg" war einfach herrlich.
Wir wanderten immer weiter am Eschbach entlang, bis wir auf das Kutenhard Venn trafen. Jetzt hatten wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen und es ging flotter voran. Hier hatten sich die Wildschweine aber ordentlich ausgetobt. Wir hofften nur, dass wir keinem begegnen.
Über einen Fahrweg trafen wir auf die Überreste des Reinartzshofes. Der hatte für Christa eine ganz besondere Bedeutung, weil von hier ihre Groß- und Urgroßmutter mütterlicherseits stammen.
Aus einer Einsiedelei (13. Jahrhundert) am alten Pilgerweg zwischen Aachen und Trier entstand bis zum 20. Jahrhundert eine kleine Siedlung von 3 Bauernhöfen und 6 Familien, der Reinartzhof. Mitten im einsamen Venn gelegen, war die Siedlung weitgehend autark, ohne elektrischen Strom oder Leitungswasser. 1958 erging ein Erlass, dass die Siedlung geräumt werden musste, da die benachbarte Wesertalsperre zur Trinkwassergewinnung genutzt wurde. Die letzte Familie verließ ihren Hof 1971. Die 2. Etappe des Eifelsteigs führt an der Gedenkstätte Reinartzhof vorbei. (Text: Loni Liebermann)
Muss ja schon ein eigenartiges Gefühl sein, die eigenen Vorfahren auf einem Infoschild am Wanderweg vorzufinden. Christa hatte viel zu erzählen, zumal sie hobbymäßig Ahnenforschung betreibt.
Aus diesem Grund und weil unser Weg am Eschbach entlang uns doch sehr aufgehalten hatte, änderten wir unsere Pläne. Da wir nicht am wahrscheinlich genauso unwegsamen Steinbach von der Dämmerung überrascht werden wollten, gingen wir lieber auf Nummer Sicher und bogen hinter dem Reinartzhof nach links ab und gingen über die leicht zu gehende "Wanderautobahn" bis zum Parkplatz Vennkreuz im Raerener Wald an der Vennstraße.
Liebe Christa, den Weg würde ich gern noch einmal gehen - vielleicht bei trockenerem Wetter, längeren Tagen und dann auch wie er eigentlich vorgesehen war, zurück am Steinbach. Wer auch daran Spaß hätte, findet hier den Track.
Drei wunderschöne Wandertage gingen zu Ende. Ich habe die so ganz andersartige Landschaft auf unseren Touren und die Gastfreundschaft meiner Freunde sehr genossen. Wie schön, dass wir uns über diese Homepage wiedergefunden haben. Ich freue mich auf viele weitere gemeinsame Touren in Belgien und Deutschland.