2013-06-23
Tag 2 von "Das lange Wochenende der Rheinischen Naturparke: 24 Veranstaltungen an 24 Orten". Nachdem ich am Vortag die 3. Etappe des Römerwanderwegs in der Eifel erkundet hatte, sollte es an diesem Sonntag etwas Interessantes in meiner näheren Umgebung zu erforschen geben. Unter der Überschrift "Die Natur holt sich eine Landschaft zurück" wurde eine Natur-Exkursion an der Dhünn unter Leitung von Biologen und Heimatforschern angeboten. Treffpunkt war der Schöllerhof bei Altenberg/Odenthal. Hier war auch Start- und Endpunkt der Wanderung. Auf dem Foto links kann man außer meiner Wenigkeit noch die neue Möblierung des erweiterten Wanderparkplatzes sehen und im Hintergrund das restaurierte Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das zwischenzeitlich auch als Lager- und Umschlagsplatz für Schwarzpulver diente.
Und um das Schwarzpulver und seine Herstellung ging es an diesem Tag. Die Exkursion sollte schließlich zeigen, wie die Natur sich die durch Schwarzpulverherstellung industriell geprägte Kulturlandschaft im Helenental zurückerobert.
Wer wie ich gerne rund um den Schöllerhof wandert, kann sich kaum vorstellen, dass diese Gegend einmal wüst und leer und eigentlich ein Gewerbegebiet war. Drei Mitarbeiter der LuGeV (Landschafts- und Geschichtsverein) standen bereit, um einer Gruppe von 15 Interessierten zu zeigen, was Flora und Fauna inzwischen aus dieser Ödnis gemacht hatten und wo man noch Spuren der alten Industrieanlagen finden kann.
Am Schöllerhof vorbei ging es einen asphaltierten Weg entlang, bis wir zu einer Brücke über die Dhünn gelangten. Hier wurde der erste Stopp eingelegt und wir verließen sogar den Weg, um in die "grüne Wildnis" im Uferbereich einzutauchen. Richtig idyllisch war es hier und wir erfuhren viel über die einzelnen Vogelarten, die sich hier (wieder) heimisch fühlen. Sogar den seltenen Eisvogel, der ganz spezielle Nistbedingungen braucht, soll man hier antreffen können, wenn man früh genug aufsteht.
Auf der anderen Seite des Baches lagen jetzt rechts die weitläufigen Dhünnauen vor uns.
Linker Hand fiel jetzt ein wunderschönes altes Fachwerkhaus ins Auge. Unter der Adresse "Aue 1" hat sich vor vielen hundert Jahren der Pulvermacher Borsbach ein prächtiges Wohnhaus gebaut.
Dieses Haus stand in gebührenden Abstand zu den Pulvermühlen, zu denen wir jetzt aufbrachen. Schwarzpulver war der erste Explosivstoff, der als Schießpulver für Schusswaffen oder als Sprengpulver verwendet wurde und nicht selten wurde das Tal von Explosionen erschüttert. Heutzutage wird Schwarzpulver nur noch für die Herstellung von Feuerwerkskörpern benötigt.
Obwohl ich schon öfters den Wanderweg entlang gegangen bin, habe ich bisher die verfallenen Reste der Werkstätten und Industrieanlagen nicht erkannt. Dafür mussten wir auch den Weg verlassen. Hier sind die Überreste einer Pulverkammer zu sehen, in der das Pulver zum Trocknen gelagert wurde.
Die Bestandteile des Schwarzpulvers sind Kaliumnitrat (Kalisalpeter), Holzkohle und Schwefel. Das genaue Mischungsverhältnis ist das Geheimnis des Pulvermachers. Die Bestandteile müssen fein zermahlen und gleichmäßig vermischt werden. Danach wird das Gemisch feucht in Kuchen gepreßt, getrocknet und wiederum zerstoßen.
Die Wälle hätte ich für natürliche Erhebungen gehalten, sind aber von Menschhand errichtete Explosionsschutzwälle, inzwischen aber ordentlich bewaldet.
Auch wie die Menschen damals die Wasserkraft der Dhünn für ihre Industrieanlagen zu nutzen wußten, indem sie das Wasser in Gräben umleiteten oder mit Wehren stauten, wurde uns gezeigt. Vor dem Bau der Dhünntalsperre war die Dhünn wahrscheinlich noch um einiges temperamentvoller als heute, wo der Zufluß gesteuert wird.
Während wir mit unseren drei Führern rechts und links der Dhünn langsam durch das Helenental wanderten, erhielten wir von jedem Fachmann Informationen über sein Fachgebiet. Die sehr gute Wasserqualität mit dem entsprechenden Fischreichtum, die Vogel- und Pflanzenwelt waren ebenso Thema wie geschichtliche Hintergründe vom ehemaligen Jagdschloss der Industriellenfamilie Haniel. Heute kann man im Helenental an verschiedenen Stellen noch die steinernen Torbögen bewundern, die zu der Begrenzungsanlage des Schlosses gehörten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte das Erzbistum Köln das Anwesen, nannte es Maria in der Aue und richtete ein Erholungsheim ein. Heute ist es Tagungshotel und bietet von seiner Terasse einen tollen Blick über Dhünn und Helenental.
Wir gingen aber nicht hinauf. Die Zeit war zu kostbar. Aber wir legten im Wald eine kleine Rast ein, denn soviel Input mußte erst einmal verdaut werden.
Danach nahmen wir Abschied von der Dhünn und schraubten uns steil einen schmalen Wanderweg hinauf. Landschaft, Pflanzenwelt und Ausblicke veränderten sich mit dem Anstieg.
Bald standen wir vor dem Kochshof, dem Bundessitz Zugvogel Deutscherfahrtenbund e.V.
Ich muss zugeben, bisher habe ich immer gedacht, es ginge um Vögel, Mit der etwas antiquierten Bezeichnung "Zugvogel" konnte ich nichts anfangen. Aber dafür habe ich ja auch diese Bildungsreise unternommen.
Der ehemalige Bauernhof Kochshof war über 700 Jahre alt und völlig verfallen, bis der Fahrtenbund in langjähriger Arbeit die Anlage erworben und völlig saniert hatte. Jetzt haben alle Zugvögel (Wandervögel hätte ich sofort verstanden) die Möglichkeit, sich hier zu treffen um zu musizieren, im eigenen Backhaus Brot zu backen und in den gut ausgestatteten Werkstätten zu werkeln.
Und ich hatte die Möglichkeit an diesem Tag den Hof auch einmal von innen zu besichtigen.
Dann ging es aber wieder weiter. Leider, denn wir hätten uns besser noch etwas länger in den gemütlichen Räumlichkeiten aufgehalten. Kaum waren wir auf freiem Feld ohne schützendes Blätter- oder Ziegeldach über unseren Köpfen, öffnete der Himmel seine Schleusen.
Auffallend waren die vielen mobilen Hochstände auf diesen Feldwegen. Ob die Jäger hier wohl mit dem Auto bis zu ihrem Ausguck fahren?
Wir waren längst nicht mehr im Zeitplan. Schließlich gab es viel zu erfahren und zu sehen. Das Wetter ließ einiges zu wünschen übrig und so sollte es jetzt auf kürzestem Weg zum Schöllerhof zurückgehen. Und der führte über einen Bauernhof wieder in den Wald. Dieser Hof wurde früher von den Zisterziensermönchen vom nahegelegenen Altenberger Kloster bewirtschaftet.
Und da konnten wir ihn zwischen den Bäumen tief unten liegen sehen, unser Ziel, den Parkplatz Schöllerhof.
Natürlich gab es auf diesem wunderschönen Waldweg auch noch viel zu sehen und zu erfahren, z. B. dass man immer noch alte Hohlwege erkennen konnte, auf denen früher die Mönche ihre Waren von den Höfen ins Tal befördert hatten.
Handgreiflich wurde uns die besonders gute Bodenbeschaffenheit und die damit verbundene üppige Pflanzenwelt und ertragreiche landwirtschaftliche Nutzung erklärt.
So ging es weiter, bis wir nach einigen Stunden um viele Erfahrungen reicher wieder am Ausgangspunkt ankamen.
Das war eine Führung nach meinem Geschmack, es wird bestimmt nicht die letzte mit der LuGeV sein. Auf der Seite dieses Vereins steht als Leitspruch ein keltisches Sprichwort:
"Die wahre Endeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern mit neuen Augen zu sehen".